Verkatert wachte ich morgens auf. Mein letzter Kater war vor so langer Zeit gewesen, dass ich mich nicht einmal mehr daran erinnern konnte wann genau ich zuletzt so viel getrunken hatte, dass ich mich am nächsten Tag richtig schlecht gefühlt hatte. Doch auch die Erinnerungen an die vergangene Nacht endeten abrupt mit dem Moment in dem Joshua mir die folgenreiche Mischung aus Tequila und Cola eingeschenkt hatte. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern wie und wann wir die Matratze auf den Boden gelegt hatten, auf der ich aufwachte und auch dass ich mich während der Nacht übergeben hatte, hätte ich nie bemerkt, wenn der Beweis dafür nicht als ekelhafte kleine Lache neben dem Bett direkt nach dem ich aufwachte meine Aufmerksamkeit erlangte. Aus unerklärlichen Gründen hatte ich es immerhin geschafft nicht auf die Matratze, mich oder Joshua zu kotzen, sondern fein säuberlich neben das Bett, wo es recht einfach war die Sauerei schnell und spurlos zu beseitigen.
Das giftige Gemisch, das mein Körper, nachdem ich es ihm eingeflösst hatte gerne auf dem schnellsten Weg wieder losgeworden wäre hatte es jedoch in meinen Blutkreislauf geschafft und meine Leber hatte wesentlich größere Mühe sich dieser Sauerei zu entledigen als mich ich der auf dem Fußboden.
Unter anderen Umständen wäre ich vermutlich bis zum Abend einfach liegen geblieben und hätte meinem Körper die dringend benötigte Ruhe gegönnt. Da das Ende meiner Reise jedoch so nahe liegt und ich mir keinen zusätzlichen Tag in Quito gönnen wollte, beschloss ich trotz meines katastrophalen Zustandes mein „Touristenprogramm“ für diesen Tag wie geplant durchzuziehen. Zunächst schleppte ich mich mehr schlecht als recht in einen Imbiss, wo ich einen Hamburger bestellte. Ich schaffte jedoch nicht mehr als einen Bissen davon zu Essen. Mein Magen verweigerte zu diesem Zeitpunkt allem außer frischem, heilendem Trinkwasser den Zutritt. So machte ich mich mit leerem Magen zusammen mit Joshua, dem es erstaunlicherweise blendend ging auf den Weg zur Seilbahn, die uns zum Gipfel eines Berges bringen sollte, von dem aus man einen tollen Blick über Ecuadors Hauptstadt hat.
Dies war so ziemlich die falscheste Aktivität, die ich mir in diesem Moment hatte aussuchen können. Übertroffen hätte ich diese Dummheit wohl nur mit der Entscheidung noch mehr Tequila zu trinken, was mir vermutlich den Knock-out verpasst hätte. Quito liegt auf über zweitausend Metern Höhe, und obwohl ich wochenlang im bolivianischen Altiplano gereist bin, die höchstgelegenen Städte der Welt auf über viertausend Meter Höhe besucht hatte und in Cochabamba auf zweieinhalbtausend Metern über dem Meer einen Berg hinaufgerannt war, war ich erst gestern Nachmittag von Tena nach Quito gefahren. Von Tena, dass in den grünen, heißen Ebenen des Regenwaldes liegt, in einer Gegend, in der der Luftdruck und der Sauerstoffgehalt ungleich höher ist als in der Höhenlage von Quito.
Als wir die Talstation der Seilbahn erreichten, die selbst schon so hoch über der Stadt liegt, dass man einen Höhenunterschied deutlich spürt, versuchte mein Körper mich zu warnen, indem er mich zur Toilette schickte, wo ich das bisschen Nahrung und Flüssigkeit unverdaut der Kloschüssel überlassen musste. Die Warnung funktionierte jedoch nicht, da ich mich kurz nachdem ich mich übergeben hatte natürlich etwas besser fühlte und wagemutig mit anderen Touristen in die Kabine der Seilbahn stieg. Es wurde viel gescherzt und gelacht während die Kabine im Eiltempo hunderte von Höhenmetern überwand. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie die Stimmung gewesen wäre, wenn mein Körper schon während der Fahrt nach oben erneut gegen die Strapazen protestiert hätte, die ich ihm zumutete. Das Fensterchen der kleinen Kabine konnte nur einen Spalt weit geöffnet werden. Nicht weit genug, damit ich meinen Kopf hinausstrecken können hätte. Die Aussicht vom Berg konnte ich nicht nur wegen der Bewölkung und dem Nebel, der aufzog nicht wirklich genießen, sondern weil mein Magen sich bereits zum dritten „Protestmarsch“ bereit machte. Kurz bevor wir die Fahrt hinunter zu Talstation antraten war es dann auch schon wieder soweit. Ich hatte die Tasse Tee, in die ich so viel Hoffnung gesetzt hatte, in einem teuren Café an der Bergstation gerade geleert, als ich das dringende Bedürfnis verspürte den Tee und gefühlte vier weitere Tassen Flüssigkeit unter schrecklichen Geräuschen, die laut Joshua durch die geschlossene Toilettentür zu hören waren, der Kanalisation zu übergeben.
Ich gab jedoch noch nicht auf und schleppte mich ins Zentrum, wo ich kreidebleich über den schönen gepflasterten Hauptplatz schlurfte, mich darüber wunderte, dass eine offensichtlich völlig verwirrte Frau, die mit einem Lautsprecher ausländerfeindliche Parolen herumbrüllte von allen ignoriert wurde und nicht einmal die Polizei einschritt, die in der Nähe war.
Als wir endlich zu Hause ankamen legte ich mich ins Bett und gönnte mir einen Erholungsschlaf, der längst überfällig gewesen war. Es wirkte und ich hatte abends als ich aufwachte nicht nur Appetit sondern auch Lust auszugehen und so machten wir uns wieder auf um die zweite Partynacht in Folge anzutreten. Wir entdeckten einen Club, der stylisch eingerichtet war und in dem gute Rockmusik gespielt wurde. Er war ganz in der Nähe vom Bungalow 6 aber Joshua war zuvor noch nie dort gewesen. Wir tanzten dort, wechselten später den Club und tranken auf der Straße Canelazo, ein landestypisches warmes alkoholisches Getränk aus Zuckerrohr, das so wiederlich schmeckte, dass ich bereits nach dem ersten Schluck genug davon hatte. Abgesehen vom Canelazo verzichtete ich an diesem Abend gänzlich auf Alkohol. Eine Art Friedensangebot an meinen Körper nach all dem was ich ihm in den Stunden zuvor angetan hatte.
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Weltreise_Ecuador_Quito_pt2_05_2011 |